Donnerstag, 25. Juni 2015

Hundert!

genauergesagt 102 Kilometer und 2500 Höhenmeter, so lauteten die Eckdaten des Mozart 100, Österreichs schönstem Ultra-Panoramalauf in Salzburg/dem Salzburger Land. Zwei große Runden (1. Runde 46 km, 2. Runde 56 km) boten auf alle Fälle mehr als genug "Sightseeingmöglichkeiten", sozusagen "auf die Schnelle". Kalte Temperaturen (um die 10 Grad) in Kombination mit Dauerregen (teils sinnflutartig) und Wind (Stichwort "Windchilleffekt..") forderten jeden Teilnehmer bis an seine Grenzen der Belastbarkeit und sogar darüber hinaus..

Zwar feierte ich mein Ultralaufdebüt bereits 2010 anläßlich des Schwäbische Alb-Ultramarathon über 50 km und 1100 Höhenmeter. Aber das war wie ein alkoholfreies Bier, zwar auch Bier, aber eben "nicht so richtig";-). 

Dieses Jahr nahm ich im Februar meinen ersten "richtigen" Ultra(trail)lauf in Hong Kong in´s Visier. Erneut  "nur" ein "50er", dafür aber mit einer konditionell und lauftechnisch extrem anspruchsvollen Strecke, deren Schwierigkeitsgrad so hoch lag, dass die Streckenrekorde im Bereich von 100 km Straßenlauf-Bestzeiten liegen. Wie der werte Leser dieses blogs weis, endete mein Wettkampfdebüt in Asien, nachdem ich mich verlief, im Dickicht. Im Nachhinein bin ich, nach dem ich erfahren habe, dass es in Hong Kong etwas zehn giftige Schlangenarten gibt, froh, dass meine unfreiwillige Exkursion nur mit Kratzern, aber ohne Bisse ausging;-).

"Biß" fehlte mir seit "Hong Kong" völlig. Der (zu schnelle&zu harte) Umstieg vom Ultratrail- zum Straßenlauf verlief verletzungs- und schmerzreich. Mit Achillessehnenentzündung und zuletzt ISG-Blockade fühlte ich mich manchmal regelrecht "schrottreif", zumal mich "nebenher" noch häufig die Pollenallergie ärgerte. Es gab Tage, an denen humpelte ich nur noch herum.. In der akuten Phase der ISG-Blockade konnte ich tagelang nicht einmal das Haus verlassen. Mein Physiotherapeut, Frank Visser in Burghausen, brachte mich soweit wieder "hin", dass ich, trotz Allem, zumindest ein paar Wettkämpfe "mitnehmen" konnte.

Beim 10er in Brunssum/NL im März lief ich mit einer 33er Zeit den schnellsten Afrikanerinnen hinterher, entdeckte immerhin die Brunssumer Heide am "Tag danach" als kleines Trailrunningparadies. Im April beim 5er in Kempten, schaute ich mir die Geburtsstadt meiner Mutter mit einer 16er Zeit an und erntete die Holzmedaille. Anfang Mai stellte ich mich nach aufwendigem Visa- und Reiseprozedere der Hitze Algeriens über die Halbmarathondistanz. (schreibe hier besser nicht meine Zeit;-)-immerhin war ich ein Finisher;-). Mitte Mai pacte ich meine gute Freundin Simi beim Kassel Marathon.

Letzteres war eigentlich als größeres Highlight angedacht. Ziel war es, für Simi das Tempo bis in´s Ziel zu machen mit Vorgabe "2:35". Jedoch entstand schon bei km 20 bei mir ein "Loch im Tank", ziemlich (zu) früh für den berüchtigten "Mann mit dem Hammer".. In Folge tropfte nicht nur Energie heraus, es floß.. Irgendwie, keine Ahnung wie;-), kämpfte ich mich, mit letztem Kampfeswillen, beinahe wortwörtlich bis zum umfallen, bis km 36 durch. Dann war absolut "Schicht im Schacht".

Viele Sportler/Läufer treten, wenn sie außer Form sind, garnicht erst an. Jedoch hatt sich meine Einstellung zum Sport/dem Laufen im Laufe der Zeit gewandelt. Jeder einzelne Lauf war, trotz Allem, ein Erlebnis. Auch wenn ich zugegeben zwischenzeitlich manchmal die Freude am Sport/dem Laufen verloren habe, so fand ich schneller als geglaubt wieder zum "runner´s flow" zurück.

So kam es, schon recht bald nach dem Kassel-Marathon, bzw. "den 36km von Kassel";-) dass aus dem Jogger Marco Sturm wieder ein Läufer wurde. Das Laufgefühl kehrte, vom "einen auf den anderen Tag" wieder zurück. Ende Mai konnte ich meine Dauerläufe auf einmal wieder mit einem (mittleren bis hohen) "4er Schnitt" laufen, zuvor war alles unter 5min/km pure "Quälerei".

Spontan entschied ich mich Anfang Juni beim Skyrace Lodrino-Lavertezzo im schönen Tessin anzutreten. Das einzige Skyrace der Schweiz forderte auf 22km mit 2200 Höhenmeter im An- v. A. aber Abstieg Alles ab. Davor lief ich das letztemal mehr als hundert Höhenmeter am Stück Anfang Februar in Hong Kong. Verletzungsbedingt war es mir, wenn überhaupt, seit Ostern nur noch möglich auf "pfannkuchenflachem" Terrain zu laufen/joggen.

Nichtsdestotrotz kam ich den "Mörderanstieg" in der Schweiz relativ gut hinauf. Als einer der Wenigen ohne Stöcke (mein Fehler die LL-Stöcke zuhause zu lassen..) erreichte ich in den Top Ten den höchsten Punkt der Strecke auf 2300m Höhe. Bergab ging/lief es dann im wahrsten Sinne des Wortes.. Irgendwie/Irgendwann kam ich trotzdem unten an, so nach dreieinhalb Stunden Laufzeit, eher einer gefühlten Ewigkeit insgesamt. Plazierung-"Irgendwas in den Top 20":-). Unabhängig von Zeit&Plazierung war dies der erste Lauf seit langem, den ich richtig genießen konnte und der mir aufzeigte, "warum ich mir das Alles überhaupt antue":-)-Spaß pur!

Irgendwie überkam mich das Gefühl, dass ich vielleicht das erste Halbjahr 2015 doch nicht ganz als "Nullnummer" abschreiben muß. Die Idee meines Starts beim "Mozart 100" war geboren.

Damit ich dort nicht bloß vom "runners flow", Kampfgeist und ein paar Berglaufqualitäten profitiere, hängte ich mich gleich nach dem Skyrace mächtig in´s Zeug. Jeder Trainer sollte an dieser Stelle mit dem Weiterlesen aufhören.. Für alle Anderen-Nachahmen nicht empfohlen;-)!!:

In den sieben Tagen nach dem Skyrace legte ich insgesamt 250 Laufkilometer, plus einzelnen Einheiten auf dem Rennrad und Crosstrainer zurück. Ein "back to back" Trainingsblock beinhaltete zwei 43 Kilometerläufe an zwei aufeinanderfolgenden Tagen. Der erste stark profiliert (ca. 2000 Höhenmeter), aber vom Tempo her eher ruhiger. Der "43er" am Folgetag zuerst drei Stunden auf relativ flachen Trails gefolgt von einstündigem Treppentraining (Simulation Kapuzinerberg Salzburg) mit höherer Intensität und einer flotteren, leicht profilierten Schlußrunde über ca. 5km. Zum Abschluß der Woche nahm ich noch einen "10er" bei mir "um die Ecke" mit. Beim Mettenheimer Alleelauf wurde ich, nach 20min warm up und einer 5km Tempo-Vorbelastung, mit einer 34er Zeit, bei großer Hitze, sogar noch Gesamtdritter. Bezahlte (Preisgeld) Tempodauerläufe in der Art sollte es öfters geben;-).

Tapering wird überbewertet:-). Im Ernst, nachdem ich zwischen Ostern und Pfingsten weniger Laufkilometer als die meisten Hobbyläufer absolvieren konnte und intensive Lauf-Einheiten fast ausschließlich aus den einzelnen Wettkampfteilnahmen bestanden, mußte ich hinsichtlich eines 100 Kilometer-Laufes anders als es "im Lehrplan steht" vorgehen/-laufen;-).

Letztendlich verlief das "Experiment" gut, in Anbetracht der Umstände im Vorfeld sogar großartig!

Eigentlich sollte dieser blog-post in erster Linie meine Eindrücke des Mozart 100 Ultralaufes wiedergeben. Aber nachdem mir von Jemand zu Ohren kam, dass meine Texte manchmal den Rahmen sprengen, fasse ich mich mit meinen Eindrücke aus Salzburg lieber etwas kürzer:-)

Also ich versuch´s mal: Sa 5:00 Uhr morgens, eine ungewohnt frühe Startzeit. Da sich mein Hotel am Neutor nur einen Kilometer vom Start auf dem Residenzplatz entfernt befand, war ich in der glücklichen Lage, quasi "aus dem Bett-an die Startlinie" zu fallen;-). Um 3:55 klingelte der Wecker/das Handy und es warteten Datteln, Kuchen und Banane auf den Verzehr. 4:40 Uhr-Zeit loszulaufen-nicht als warm up, schließlich wollte ich dazu die ersten 3km im Rennen selbst nutzen, sondern um auf dem Weg zum Start nicht auszukühlen. Einzelne Partygänger kamen mir, dem im "Wettkampfdress, inkl. Startnummer "Kostümierten;-" entgegegen-aus Situationen wie diesen leitet sich wohl der Begriff "hier prallen Welten aufeinander" ab;-)

Das Anfangstempo war vom Start weg schneller als gedacht. Ich befand mich auf den ersten flachen Kilometern, der Salzach entlang, nur in den Top ten. Der Respekt vor der Streckenlänge war übermächtig bei mir. Am ersten langen Anstieg durch die Glasenbachklamm begann ich dann eine annähernd hundert Kilometer lange "Aufholjagd". Auf dem höchsten Punkt der Strecke hatte ich bereits ein paar Positionen gutgemacht. Ich lief auf Dave James, den amerikanischen Meister über 100 Meilen und Lauf-Pro, auf. Wir liefen lange Zeit gemeinsam. An den Verplegungsstationen verbummelte ich stets etwas Zeit gegenüber Dave, holte ihn dann v. A. bergauf jeweils wieder ein. WC-Stops sind übrigens auch ein Thema für sich.. Bei Dave dauerte ein "Geschäft" länger und ab dem Salzburgring verabschiedete ich mich von ihm. Schade, denn bis dato hatten wir uns gut unterhalten.

Leider erfuhr ich später, dass ein schwerer Sturz Dave ein "DNF" (did not finish) einbrachte. Kennt man Dave´s backround (führt u. a. einen tollen Blog) und lernt man ihn persönlich kennen, schmerzt Das umso mehr. Aber der Sieg bei der Premiere des Mozart 100 2012 bleibt für den Profi-Sportler aus Arizona "in Stein gemeisselt"! Der Sport kann, wie das Leben, manchmal ganz schön ungerecht sein.. Aber man muß immer das Beste aus Allem machen. So auch Dave, der es sich nicht nehmen ließ, am Abend bei der Siegerehrung anwesend zu sein und den Geehrten zu gratulieren!

Andreas Pfandlbauer aus Bad Ischl darf auch nicht unerwähnt bleiben. Er ist der beste österreichische Ultraläufer, u. A. mit internationalen Einsätzen für die Nationalmannschaft. Andreas blieb bei seinem Heimrennen zwar nur die "Holzmedaille"=Rang Vier, aber Ultralaufen ist soviel mehr als "Zeiten und Plazierungen"!! Mit starker Unterkühlung kämpfte sich der drahtige Kämpfer, der lange auf Rang Zwei lag, durch. Kaum vorstellbar, was das für eine Willensleistung dies gewesen sein muß, zumal die Hypothermie ihn schon bei km 60 übermannte. Ich überholte ihn "irgendwo" unterwegs, ohne es überhaupt zu realisieren! Bis zum Zieleinlauf ging ich stets davon aus, Vierter zu sein. V. a. da mir bei etwa Kilometer 80 teilte der Rennleiter Josef mitteilte, dass ich ca. 16-17min Rückstand hinter dem Drittplazierten zurückliege. Ich rief ihm noch zu "ich probier´s mal"-alleine diese Ausdrucksweise zeigt, dass ich nicht wirklich damit rechnete, in die Top Drei zu laufen. Meine Freude hinter der Ziellinie, denn da erfuhr ich es erst, doch noch auf Stockerl geschafft zu haben, war schier grenzenlos. Alleine dieses Gefühl entschädigte für alle Niederlagen, die ich in diesem Jahr schon einstecken mußte und das waren Einige..!

Das Miteinander zwischen Konkurrenten, die im Ultralauf eher gleichbedeutend mit Lauffreunden sind und die Herzlichkeit des Orgateams, allen voran Josef und Claudia, werden mir, genau wie das "Laufabenteuer" selbst, unvergessen bleiben! An dieser Stelle auch ein Dank an die zahlreichen Helfer. Diese leisteten an diesem Tag Außergewöhnliches! Noch vor Sonnenaufgang, bis in den Sonnenuntergang hinein, bei widrigsten Wetterbedingungen - "chapeau"!!!

Achja, es fehlt jetzt&hier noch eine Beschreibung der Streckencharakteristik, der Landschaft und des Rennverlaufes, sowie die Historie der Stadt Salzburg. Aber das wollen wir uns jetzt nicht mehr antun, oder;-)?!. Zumindest über "Salzburg" verweise auf ein schier unerschöpfliches Sortiment an Literatur. Zumindest zwei Bücher diesbezügl. befanden sich in meinem Gepäck, bzw. e-book (nach meinen Laufschuhen-/klamotten, mein wichtigstes Reiseutensil:-).  

"Summa summarum" bin ich begeistert, in/um Salzburg/Salzburger Land, quasi meiner erweiterten Heimat (Salzburg befindet sich ca. 60km Luftlinie von Altötting entfernt) meinen ersten "Hunderter" erfolgreich zu finishen! 

Auch, wenn es ein paar Momente/Abschnitte gab, an denen ich an mir/meinem Vorhaben zweifelte, so war es doch insgesamt ein Genuß! Das muß v. A. für "Nicht-Läufer" nun klingen wie "auf Drogen", aber letztendlich sind/bewirken einige körpereigene Hormone ja Ähnliches;-), haha.

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Daniel Oralek der tschechische Sieger (Hm-Bestzeit übrigens 1:04) distanzierte bei seinem hundertstem Ultralauf den Zweitplazierten Salameh al Aqa aus Jordanien, Sieger des Marathons des Sables-"dem Ultra-Wüstenlaufklassiker", sowie Sieger des Ötscher Ultramarathons (in der Vorwoche), deutlich. Danach konnte ich Bayern auf Rang drei repräsentieren. Alleine das "finishen" in einem Wettkampf, bei dem viele Gemeldete auf Grund der Witterung garnicht erst antraten und dreißig Prozent der Starter letztendlich abbrachen ist jedoch praktisch schon ein  Erfolg für Sich.

"Nach dem Lauf ist vor dem Lauf"-nachdem ich mich überraschend schnell vom Ultralauf am Samstag erholt habe-nicht nur subjektiv sondern auch objektiv (das zeigten mir z. B. gestern Bergintervalle mit mittlerer Int., 5x3min), entschloß ich mich spontan (Danke auch für die Spontanität des Veranstalters!), für den Brixen-Dolomiten-Bergmarathon am Samstag den 26. Juni zu melden. 2000 Höhenmeter verteilen sich auf die Marathondistanz, aus Brixen hinauf auf die hohe Plosse (2450m über Nn). Schau mer mal, was der Körper/die Beine hergeben. Alles ist möglich, im positiven, aber auch im negativen Sinne. Für mich zählt in erster Linie die Freude, in einer großartigen Bergkulisse laufen zu dürfen und mich mit einer erlesenen Spitze aus ITA/SUI/GER zu messen. Ich hole das maximale aus meinem Körper heraus, weis aber noch nicht, wieviel das sieben Tage nach einem Ultralauf sein wird. Schau mer mal, sagt der Bayer, der heute noch ein gutes salzburger Stieglbier trinkt:-)